Motive der Publisher (und User)
Edition Frau Krieger | Es schreibt Ihnen Frau Krieger.
Mit dem Social Web ist es wie mit dem Sonnenbaden: Weil es nichts kostet, machen erst einmal viele mit. Erfahrungen sammeln dann viele auch gratis. Gute, schlechte, zum Teil ganz schlechte.
Denn vollkommen unerwartet gibt es zu Aktivitäten auf den sozialen Plattformen unmittelbare Rückmeldungen. Unzufriedene Käufer, Beschwerden über Warteschleifen der Hotline, fehlerhafte Produkte.
Kritik kam nicht selten von unerwarteter Seite: Zum Beispiel durfte sich die ING Direktbank über Kommentare empörter Vegetarier wundern, als im Werbespot Basketballer Dirk Nowitzki beim Metzger eine Scheibe Wurst geschenkt bekam. Kauf-Boykott, provokante Trolle, endlose Postlisten mit zum Teil überschaubarer Essenz gab es auch für andere Unternehmen.
Der vermeintliche Booster für Image und Bekanntheit geriet zum arbeitsintensiven Debakel. In diversen Konzern-Posts war die Hilflosigkeit zu erkennen – oft die Vorstufe, um sich tot zu stellen. Diese Seite der Medaille schreckte die Zögernden erst recht ab.
In den Genuss der positiven Seite kamen dennoch einige, (aktuell noch) wenige haben Leuchtturm-Charakter. Die meisten erinnern sich an den Edeka-Spot 2014: „Supersüß, superlecker, supersexy, supergeil“. Plötzlich war ein Supermarkt in aller Munde (Wortspiel!): Von 8 bis 88 erweiterte sich der Wortschatz um das Schlüsselwort supergeil und unbewusst um die positive Rückkopplung auf den Lebensmittelhändler. Ein Glückgriff? Mitnichten.
Die Produzenten hatten die Funktionsweisen der sozialen Netzwerke verstanden, adaptiert und Resonanz kalkuliert. Mit Edeka trafen die Werber zudem auf einen für Neuerungen offenen und vor allem mutigen Sparringspartner. Beide wurden belohnt. Verdient, wie wir meinen.
Es geht auch ohne virales Marketing: bei Schwarzkopf zum Beispiel. Mit der Homepage beschritten die Produktverantwortlichen komplettes Neuland. Die Site kommt ohne Werbung aus, preist kein hauseigenes Shampoo, keine Haarfarbe an.
Statt Lobhudelei echte Hilfe: Troubleshooting bei Hochsteckfrisuren oder dünnem Haar. Das funktioniert sehr gut. Das Angebot vereint Profi-Tipps mit denen von jungen (Video-)Bloggerinnen, die authentisch aus dem Wohnzimmer „eigene“ Empfehlungen posten.
Clever bedienen sich die Schwarzkopf-Marketer 2er Mechanismen: Sie setzen zum einen ausschließlich auf Empfehlungsmarketing, das mit bis zu 90 % die größte Akzeptanz bei Kunden erreicht. Sie nutzten zudem auch eine Regel, die der Social Media Experte Richard Simmonds auf den Punkt bringt: „Leave them better than you found them.“ Um mehr geht es eigentlich nicht.
Trotzdem scheint das Web 2.0 für viele Kommunikationsverantwortliche (noch) ein Buch mit 7 Siegeln zu sein. Sie übertragen Botschaften aus Marketing und Pressestelle 1:1 auf die sozialen Netzwerke, ohne Rücksicht auf Sprachgebrauch, Zielgruppen und Themen.
Die gut gemeinte Idee ist leider schlecht gemacht. Denn statt Dialog und Kundenbindung ernten sie Desinteresse. Keine Likes, keine Posts. Sie erkennen schwerlich, dass es nicht um Content an sich geht. Auf den sozialen Plattformen bilden sich Beziehungen über Intervention und Dialog, über Diskussion und Mitbestimmung, über Wertschätzung, Beratung und Spaß. Kurzum: Bedeutung, Stellenwert, Aussagekraft. Relevanz und Resonanz erzeugen Signifikanz, sagt Social Media-Experte Brian Solis. Es geht immer nur um Einflussnahme nicht um Marketing.
Wer erkannt hat, dass sich auf den sozialen Plattformen in erster Linie die Enttäuschten und diejenigen treffen, die emotional berührt werden wollen, hat es weder mit der adäquaten Ansprache noch mit seinen Botschaften schwer. Glaubwürdig und dialogbereit dabei zu sein, sollte keine Frage mehr sein.
Denn: Vor allem das Social Web avanciert zur ersten Adresse für ratsuchende Kunden und das nicht erst, wenn die Digital Natives sich zur höchsten Kaufkraft aufschwingen.